Interview mit den Greenlight Media Geschäftsführern Nikolaus Weil und Stefan Beiten
Greenlight Media ist in diesem Jahr 20 Jahre alt geworden. Wie umschreiben Sie mit einem Wort das Gefühl, das Sie dabei empfinden?
Nikolaus Weil: Dankbarkeit! Dankbarkeit dafür, dass ich so viel Spannung, Vielseitigkeit erleben durfte. Dankbarkeit dafür, dass ich Teil einer so erfolgreichen Story mit wundervollen Projekten sein dürfte, die auch viele Herausforderungen und „Auf & Ab’s“ mit sich gebracht haben.
Können Sie kurz beschreiben, mit welcher Vision Sie damals die Greenlight Media gegründet haben und wie viel sich davon bis heute realisiert hat?
Stefan Beiten: In einer sich zunehmend dynamisch entwickelnden, sich professionalisierenden Medienindustrie ist unser unternehmerisches Ziel stets, die notwendige Schnittstelle zwischen kreativen Inhalten, Vermarktung und Finanzierungsanforderungen zu besetzen.
Unser Leitbild orientiert sich dabei an der Rolle des Executive Producers und Projektentwicklers. Das heißt, die wirtschaftlich organisatorische Kontrolle über Rechte und Marken zu halten. Dieses Rollenverständnis ist sicherlich auch Ausdruck unserer persönlichen und beruflichen Prägung als Medien- und Finanzierungsanwälte, aber gleichzeitig auch als kreative, markenorientierte Unternehmer. Unser unternehmerische Modell hat sich für uns über die Jahre auch als richtig bewahrheitet.
Gab es von Anfang an Genre- und Projektschwerpunkte?
Stefan Beiten: Wichtig ist uns, dass unsere geplanten Projekte gewisse Kriterien und Chancen-Risiko-Profile erfüllen. Klar war vom ersten Tag an, dass wir weder auf Masse noch mit 500 Millionen Euro Budget pro Film produzieren, sondern mit einem hochselektiven Ansatz unsere Projekte auswählen. Wichtig sind uns hochwertige Stoffe, langfristige Lebenszyklen, überschaubare Produktionsrisiken- und –budget und natürlich, belastbare Partnerbeziehungen wie etwa mit der BBC und anderen Marktgrößen.
Vor diesem Hintergrund war die Fokussierung auf Familienunterhaltung als inhaltlicher Schwerpunkt, insbesondere im Kinodokumentarbereich wohl kein Zufall. Die Entwicklung der letzten Jahre am Kinodokumentarmarkt hat uns insoweit auch Recht gegeben. Die vielen neuen und erfolgreichen Projekte in diesem Segment bestätigen die Nachhaltigkeit des Erfolgs und das anhaltende Zuschauerinteresse. Disney hat auf der Grundlage von Unsere Erde eine ganz neue Marke (Disney Nature) eingeführt. Bis heute ist es das erfolgreichste Kinodokumentarprojekt der BBC. Deep Blue und Unsere Erde haben einen weltweiten Bruttoumsatz von über 500 Millionen US-Dollar generiert. Das will was heißen!
Was waren in den letzten 20 Jahren Ihre persönlichen Höhepunkte?
Nikolaus Weil: Mit großen Emotionen haben wir die erstmalige Ausstrahlung von SimsalaGrimm auf dem Kinderkanal Kika mit einem Marktanteil von 48 Prozent in Erinnerung. Dieser Erfolg war damals für uns kaum fassbar! Weitere Highlights waren die Fertigstellung unseres SimsalaGrimm Soundtrackalbums unter anderem mit N’Sync, die Zusammenarbeit mit Shrek Produzent John Williams an Happily N‘ever After und natürlich die Welterfolge, die wir mit Deep Blue und Unsere Erde erzielen konnten. Ein ganz aktuelles Highlight, das wir mit viel Freude erleben, ist die Simsalagrimm Musical Live Tournee…
Gibt es besondere Herausforderungen, die Sie meistern mussten?
Stefan Beiten: Hier fällt mir vor allem der Berlin Animations Fonds (BAF) ein. Makrowirtschaftliche Entwicklungen in 2001 und 2002 haben wie bei allen anderen Marktteilnehmern massive Spuren hinterlassen. Der damalige Niedergang des Neuen Marktes und die Insolvenz der Kirch Gruppe hatten natürlich Auswirkung auf unsere Studiopartner und den gesamten Produktionsprozess. Die daraus entstandenen Verluste haben uns selbst auch hart getroffen.
Tatsache ist, dass wir mit dem Grundkonzept inhaltlich richtig lagen. In Zusammenarbeit mit deutschen und ausländischen Animationsstudios haben wir Produktionskapazitäten am Standort Berlin aufgebaut. Steuerlich hat das BAF Konzept als echte unternehmerische Produktionseinheit im Gegensatz zu vielen anderen Medienfonds ebenfalls gehalten. Trotz vieler naturgemäßer Differenzen bei der Sanierung lobte die Fonds initiierende Dresdner Bank (später Allianz, dann Commerzbank) den Wert unsere Leistung.
Was würden Sie heute anders machen?
Nikolaus Weil: Ganz klar: Ich möchte mehr auf meinen eigenen unternehmerischen Instinkt und weniger auf sogenannte Berater hören. Die lagen in der Vergangenheit leider oft daneben.
Um die Greenlight Media ist es in den letzten Jahren eher ruhig geworden. Woran liegt das?
Nikolaus Weil: Unser Ziel war es immer, wenige, aber dafür wertvolle Projekte mit langer Lebensdauer umzusetzen. Aktuell besteht unser Fokus darin, die geschaffenen Marken immer wieder in eine neue Evolutionsstufe zu führen und im Wandel der Digitalisierung sinnvoll zu positionieren. Das erfolgreiche SimsalaGrimm Musical ist dafür ein gutes Beispiel. Das Musical wurde allein in Deutschland bereits von über 100.000 begeisterten Zuschauern besucht. Dazu zählt auch die mögliche Nutzung von 3-D-Technologie und CGI für neue Fortsetzungsproduktionen oder „Re-Releases“. Ein weiteres sehr attraktives Feld ist die Herstellung von Apps auf der Grundlage unserer Rechte und Marken. Es gibt viele Beispiele im Kinder- und Familienunterhaltungsbereich, in denen Apps größere mediale Reichweite erreichen als die primäre TV- oder Kinoverwertung.
Zudem haben wir unsere Aktivitäten im Social Responsibility Bereich ausgeweitet. Neben früheren Förderprojekten für die Kindernothilfeunterstützen wir heute Engagements wie Cinema Jenin, eine Medieninitiative im West Gaza Gebiet. Weitere Unterstützung erhält das Projekt B’tselem, ein Dokumentationszentrum für Menschenrechte in den besetzen Palästinenser Gebieten. B’tselem bietet Menschen vor Ort die Möglichkeit, eine Grundausbildung in der Erstellung von filmischen Kurzbeiträgen zu erhalten. So kann jeder Einwohner zu einem potenziellen Journalisten oder gar Filmemacher werden und die Realität in die Welt bringen. Beides sind sehr spannende Projekte. Mittels medialer Inhalte können wir aus unserer Sicht viel zur Integration und Wahrung von Menschenrechten beitragen.
Weiterhin sind wir als Unternehmen inzwischen auch an anderen Projekten und Unternehmen außerhalb der Greenlight Media beteiligt. Dazu gehören Beteiligungen an spannenden Start-ups, aber auch US Mobilfunk Infrastrukturunternehmen.
Wie haben Sie sich persönlich entwickelt oder verändert?
Stefan Beiten: Wir haben viel erlebt. Vieles, von dem wir nicht geglaubt haben, dass so etwas überhaupt möglich ist. An diesen Aufgaben sind wir gewachsen. Das Gute ist: Man wird reifer, stoischer und entwickelt mehr Sinn für das Wesentliche.
Wie sehen die Pläne der Greenlight Media und wie sehen Ihre persönlichen Pläne für die Zukunft aus?
Nikolaus Weil: Derzeit prüfen wir diverse strategische Optionen, wie man die Greenlight Media mit komplementären Partnern sinnvoll ergänzen kann. Im Übrigen werden derzeit zahlreiche Vertriebsbeziehungen im Ausland erneuert.
Im Bereich der Entwicklung konzentrieren wir uns auf die weitere Auswertung von bestehenden Marken mit neuen digitalen Technologien. Darüber hinaus verhandeln wir aktuell den Erwerb von Verfilmungsrechten zu einem spannenden Roman aus dem Spionage Genre, der während des Zweiten Weltkriegs spielt. Hieraus könnte ein großartiges Live-Action-Projekt mit Drehschwerpunkt in Deutschland entstehen.
Wie haben sich aus Ihrer Sicht die Filmindustrie und der Medienmarkt in den letzten 20 Jahren verändert, was ist gleich geblieben, wie wird er sich verändern?
Nikolaus Weil: Im Vordergrund steht ganz klar der digitale Wandel. iTunes, mobiles Entertainment und 3-D haben den weltweiten Medienmarkt nachhaltig beeinflusst. Verwertungs- und Vertriebskanäle, die vormals existierten, sind förmlich ausgestorben. Ein Beispiel: die Kinderhörspielkassette. Als wir mit SimsalaGrimm Mitte der 90er Jahre angefangen haben, waren Kassetten die wohl wichtigste Form von Kindertonträger. Heute existieren sie nicht mehr. Die CD wird wohl ein ähnliches Schicksal erleiden und die DVD folgen. Online Streaming ist der Entertainment-Träger der Zukunft.
Der Unterhaltungsmarkt erfindet sich aufgrund technologischer Innovationen immer wieder neu. Man muss diese Entwicklungen so gut es geht antizipieren und die eigene Auswertungsstrategie entsprechend anpassen. Der durchschnittliche Haushalt wird immer besser mit Bandbreite und Internetzugang versorgt. Durch mobile Geräte verändert sich das Konsumentenverhalten rapide. All das muss man als Produzent und Rechteinhaber berücksichtigen. Damit verändern sich auch die Parameter und Anforderung des Finanzierungsmarktes. Am Ende bleibt, dass werthaltiger Content immer seinen berechtigten Platz finden wird.
Was würden Sie jungen Nachwuchsfilmunternehmern mit auf den Weg geben.
Stefan Beiten: Nichts ist so konstant wie der Wandel. Als Unternehmer musst Du ständig in Bewegung bleiben und Dich den sich verändernden Marktanforderungen anpassen oder noch besser ihnen einen Schritt voraus sein.